Stimmt es, dass bezüglich des Rentenalters in der AHV unterschiedliche Regelungen für Frauen und Männer gelten?
Ja. Ende 2014 legte der Bundesrat, auf der Grundlage der Vernehmlassungsergebnisse vom März 2014, die Botschaft zur Reform der Altersvorsorge 2020 vor. Eines der Hauptziele der Reform war die Vereinheitlichung des Referenzalters für den Bezug einer Altersrente der 1. und 2. Säule für Frauen und Männer bei 65 Jahren bei gleichzeitiger Erhaltung des Rentenniveaus. Die Reform der Altersvorsorge 2020 wurde allerdings in der Volksabstimmung vom 24. September 2017 verworfen. Im Rahmen der aktuellen Reform Stabilisierung der AHV (AHV 21) schlägt der Bundesrat unter anderem auch vor, das AHV-Referenzalter für Frauen schrittweise auf 65 Jahre zu erhöhen.
Was ist bei Witwen- bzw. Witwerrenten in der AHV zu beachten?
Frauen haben Anspruch auf eine Witwenrente, wenn sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben, oder wenn sie über 45 Jahre alt und mindestens fünf Jahre verheiratet gewesen sind.
Männer haben nur Anspruch auf eine Witwerrente, solange sie Kinder unter 18 Jahren haben.
Diese Ungleichbehandlung widerspricht tatsächlich dem Verfassungsgrundsatz der Gleichstellung von Frau und Mann. Diese Privilegierung der Frauen war ursprünglich eingeführt worden, um deren wirtschaftliche Nachteile beim Tod des Ehemannes, der traditionell für die finanzielle Sicherheit der Familie verantwortlich war, auszugleichen. Eine Änderung dieser Bestimmung war im Rahmen der 11. AHV-Revision vorgesehen und wurde vom Volk abgelehnt. Da das Bundesgericht die Verfassungsmässigkeit der Bundesgesetze nicht prüfen kann, ist die vom Parlament und vom Volk so beschlossene Situation rechtlich nicht anfechtbar. Die Ungleichbehandlung kann nur mit einer neuen AHV-Revision behoben werden. Im Zusammenhang mit der 11. AHV-Revision hatte sich die Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten, die vom EBG geleitet wird und in der es eine aktive Rolle spielt, für eine Gleichbehandlung bei den Witwen- und Witwerrenten stark gemacht. Denn gerade in Fällen, in denen Ehepaare sich aus verschiedenen Gründen nicht auf eine traditionelle Rollenaufteilung (im Sinne einer Zuschreibung familiärer Belange primär an die Mutter und der beruflichen Aufgaben vorwiegend an den Vater) festgelegt haben, kann es bezüglich der Witwerrente zu stossenden Ungerechtigkeiten kommen.
Auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren führt die unterschiedliche Handhabung der Witwen- und Witwerrenten zu stossenden Ergebnissen. Lesbische Frauen, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, haben beim Tod ihrer Partnerin kein Anrecht auf eine Witwen-, sondern höchstens auf eine Witwerrente. Art. 13 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) schreibt vor, dass die überlebende Partnerin einem Witwer gleichstellt ist.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verstösst der Verlust des Anspruchs auf eine Witwerrente, wenn das jüngste Kind die Volljährigkeit erreicht, gegen die EMRK, da eine Witwe in der gleichen Situation weiterhin eine Rente erhält (Verletzung von Artikel 14 Diskriminierungsverbot in Verbindung mit Artikel 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens).
Mehrere parlamentarische Vorstösse wurden eingereicht, um diese Ungleichbehandlung zu beseitigen: Iv. pa. Kamerzin 21.512 "Gleichstellung von Witwen und Witwern über 45 Jahre", im Nationalrat erledigt; Iv. pa. Gredig 21.416 "Ungleichbehandlung bei den Hinterlassenenleistungen beseitigen", im Rat noch nicht behandelt; Iv. pa. Kamerzin 21.511 "Gleichstellung von Witwen und Witwern, sobald das letzte Kind die Volljährigkeit erreicht", im Rat noch nicht behandelt und Iv. pa. SGK-NR 22.426 "Gleichbehandlung von Witwen und Witwern", noch nicht im Rat behandelt.
Was gilt bei Witwen- und Witwerrenten in der beruflichen Vorsorge (Pensionskasse)?
Die 1. BVG-Revision trat am 1. Januar 2005 in Kraft. Seitdem sind Witwen und Witwer gleichgestellt. Dem überlebenden Ehegatten steht eine Rente zu, wenn er für den Unterhalt mindestens eines Kindes aufkommen muss oder älter als 45 Jahre ist und die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert hat. (Art. 19 BVG).
Mit der Neuregelung des Vorsorgeausgleichs bei Scheidung (in Kraft seit 1. Januar 2017) hat sich die Situation der geschiedenen Witwen verbessert. So ist gemäss Art. 19 Abs. 3 BVG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 BVV 2 die geschiedene Ehegattin der Witwe ihres früheren Ehegatten gleichgestellt sofern die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat und ihr bei der Scheidung entweder eine Entschädigung in Form einer Kapitalabfindung (gemäss Art. 124e Abs. 1 ZGB) oder eine Rente in Form eines Unterhaltsbeitrags (gemäss Art. 126 Abs. 1 ZGB) zugesprochen wurde.
Wird meine Familienarbeit bei der AHV angerechnet?
Ja. Für die Erziehung von Kindern oder die Betreuung von pflegebedürftigen Verwandten werden Gutschriften gewährt. Diese entsprechen der dreifachen jährlichen Minimalrente (3 x 14'220.- = 42'660 Fr. pro Jahr, Stand 2019). Sie werden bei der Berechnung der AHV-Rente zum Erwerbseinkommen addiert. Es können nicht gleichzeitig Erziehungs- und Betreuungsgutschriften angerechnet werden.
Wem werden die Erziehungsgutschriften angerechnet?
Angerechnet werden die Jahre der elterlichen Sorge für Kinder unter 16 Jahren.
Was muss ich tun, damit ich Betreuungsgutschriften erhalte?
Diese werden AHV-Versicherten gewährt für die Betreuung von pflegebedürftigen Verwandten, die im gleichen Haushalt leben. Die Betreuungsgutschriften müssen jährlich bei der kantonalen AHV-Ausgleichskasse am Wohnsitz der betreuten Person angemeldet werden!
Wem werden die Betreuungsgutschriften angerechnet?
Bei mehreren Betreuungspersonen wird die Gutschrift zu gleichen Teilen aufgeteilt.
Wer hat Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub?
Seit dem 1. Juli 2005 bekommen unter bestimmten Voraussetzungen (siehe unten) alle erwerbstätigen Mütter einen bezahlten Mutterschaftsurlaub. Die Mutterschaftsversicherung wird in Form von Taggeldern ausbezahlt und dauert 98 Tage. Dabei erhalten die Mütter 80% des Lohnes, höchstens aber Fr. 196.- pro Tag (Stand 2022).
Voraussetzungen gemäss Art. 16b EOG:
Fängt die Mutter nach dem achtwöchigen Arbeitsverbot wieder an zu arbeiten, verfällt in der Regel der Anspruch. Bei der Mutterschaftsversicherung handelt es sich um eine gesetzliche Minimallösung, die durch Gesamtarbeitsverträge (GAV) und Personalreglemente erweitert werden kann. Den Arbeitgebenden steht es daher frei, weitergehende Regelungen einzuführen, die mit der gesetzlichen Minimalleistung (14 Wochen Urlaub, zu 80% Lohnfortzahlung) mindestens gleichwertig sein müssen.
Der Entschädigungsanspruch entsteht grundsätzlich am Tag der Niederkunft. Bei längerem Spitalaufenthalt des neu geborenen Kindes kann die Mutter beantragen, dass die Mutterschaftsentschädigung erst ausgerichtet wird, wenn das Kind nach Hause kommt (Art. 16c EOG). In solchen Fällen erhält die Mutter zurzeit jedoch keinen Erwerbsersatz.
Mit der Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz würde die Dauer des Anspruchs auf Mutterschaftsentschädigung auf höchstens 56 Tage verlängert, sofern das Neugeborene direkt nach der Geburt für mindestens drei Wochen im Spital verbleiben muss. Auf die Verlängerung haben nur Mütter Anspruch, die nach dem Mutterschaftsurlaub wieder erwerbstätig sind.
Warum umfasst die Mutterschaftsentschädigung keine Kinderzulagen wie dies bei den Entschädigungen infolge Militär-, Zivil- oder Zivilschutzdienst der Fall ist?
Die Initiantinnen und Initianten der Einführung einer Mutterschaftsversicherung waren im Anschluss an das erneute Scheitern einer ähnlichen Vorlage im Jahr 1999 in erster Linie bestrebt, eine politisch mehrheitsfähige Lösung vorzubereiten. Damit eine neue Vorlage nicht erneut scheitert, hat das Parlament die Mutterschaftsentschädigung bewusst anders gestaltet als die Entschädigung für Dienstleistende. Diese umfasst deshalb nur eine Grundentschädigung und weder eine Mindestentschädigung noch Kinderzulagen, Zulagen für Betreuungskosten noch eine Betriebszulage für Selbständigerwerbende (vgl. Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 3. Oktober 2002, S. 7547 und die Stellungnahme des Bundesrates vom 6. November 2002, S. 1114).
Selbständig erwerbende Frauen haben bei Mutterschaft keinen Anspruch auf Betriebszulagen zusätzlich zur Mutterschaftsentschädigung. Gemäss Bundesgericht entspricht dies dem klaren Willen des Gesetzgebers. Eine geschlechtsbedingte Diskriminierung im Vergleich mit selbständig erwerbenden Männern und Frauen, die Dienst leisten, fällt mangels vergleichbarer Sachverhalte ausser Betracht.
Nachdem das Parlament 2020 eine entsprechende Motion angenommen hat, sollen Selbstständigerwerbende im Falle einer Mutterschaft einen Anspruch auf Betriebszulagen analog den Betriebszulagen nach Artikel 8 EOG erhalten.
Wie ist es möglich, dass verschiedene Arbeitgebende Mutterschaftsentschädigungen unterschiedlicher Höhe oder Dauer ausrichten?
Es ist zunächst zwischen der Mutterschaftsentschädigung nach dem Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (EOG) und den (freiwilligen) Lohnfortzahlungen der Arbeitgebenden aufgrund der Geburt eines Kindes zu unterscheiden.
Bei der Mutterschaftsentschädigung nach dem EOG bekommt eine Arbeitnehmerin während mindestens 14 Wochen 80% des zuvor erzielten Einkommens (max. 196 Fr. pro Tag) falls sie im Zeitpunkt der Niederkunft im Arbeitsverhältnis steht oder Arbeitslosengelder bezieht. Dieser Mindestanspruch darf an keine weiteren Bedingungen geknüpft werden und steht jeder Arbeitnehmerin zu, sofern sie die allgemeinen Bedingungen für den Erhalt der Mutterschaftsentschädigung erfüllt (vgl. Frage «Wer hat Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub?»).
Arbeitgebende können aber im Fall der Geburt eines Kindes auch grosszügigere Lösungen auf eigene Kosten vorsehen, z.B. die Bezugsdauer der Mutterschaftsgelder um weitere Wochen verlängern und/oder den Lohn auf 100% auf freiwilliger Basis aufrunden (ähnlich wie bei Lohnfortzahlungen). Diese über das gesetzliche Minimum hinausgehenden Leistungen können aber auch an gewisse Bedingungen geknüpft werden (z.B. dass die Arbeitnehmerin im Anschluss an den Mutterschaftsurlaub im Unternehmen weiterhin beschäftigt wird, etc.). Allerdings dürfen sie nicht anders gestaltet werden als die freiwilligen Leistungen, die Dienstleistenden infolge Militär-, Zivil-, oder Zivilschutzdienst ausgerichtet werden, denn eine solche Praxis würde gegen das Lohngleichheitsgebot, bzw. das Diskriminierungsverbot (Art. 3 GlG) verstossen.
Haben Väter Anspruch auf bezahlten Vaterschaftsurlaub?
Ja. Seit dem 1. Januar 2021 haben alle erwerbstätigen Väter das Recht auf einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub, also auf zehn freie Arbeitstage. Sie können diesen Urlaub innerhalb von sechs Monaten nach Geburt des Kindes beziehen, am Stück oder verteilt auf einzelne Tage. Der Urlaub ist über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert. Wie beim Mutterschaftsurlaub beträgt die Entschädigung 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens vor der Geburt des Kindes, höchstens aber 196 Franken pro Tag. Für zwei Wochen Urlaub werden 14 Taggelder ausbezahlt, was einen Höchstbetrag von 2744 Franken ergibt.
Dabei gelten die gleichen Grundsätze wie beim Mutterschaftsurlaub. Eine Entschädigung erhalten Väter, die zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes erwerbstätig waren, sei es als Arbeitnehmer oder als Selbstständigerwerbender. Sie müssen zudem in den neun Monaten vor der Geburt in der AHV obligatorisch versichert und in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang erwerbstätig gewesen sein. Die Entschädigung geht entweder direkt an den Arbeitnehmer oder an den Arbeitgeber, wenn dieser den Lohn während des Urlaubs weiterhin bezahlt.
Die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs wurde in der Volksabstimmung vom 27. September 2020 mit einer Mehrheit von 60,3 Prozent angenommen.
Für das Bundespersonal ist bei Geburt ein Anspruch auf 10 Tage Vaterschaftsurlaub vorgesehen (Art. 17a Abs. 4 BPG und 40 Abs. 3 Bst. b VBPV). Der bezahlte Urlaub muss in den ersten zwölf Monaten nach der Geburt eines oder mehrerer Kinder einzeln oder zusammen bezogen werden.
Auf kantonaler Ebene sehen sämtliche Kantone für ihre Angestellten einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von unterschiedlicher Länge vor.
Gibt es in der Schweiz einen Elternurlaub?
Nein. In der Schweiz besteht kein im Bundesrecht geregelter Anspruch auf einen Elternurlaub. Einzelne Branchen oder Unternehmen gewähren einen Elternurlaub. Die Dauer und Entschädigung dieser Urlaube variieren.
Gemäss der Eidgenössischen Kommission für Familienfragen (EKFF) ist Elternzeit ein zentraler Grundpfeiler einer für beide Elternteile gerechten Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit. Von der EKFF in Auftrag gegebene Studien haben gezeigt, dass eine mindestens 38-wöchige Elternzeit für alle positive Auswirkungen hat.
Die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (EKF) publizierte in ihrer Fachzeitschrift «Frauenfragen 2014: Elternurlaub» die Resultate ihrer Umfrage bei den politischen Parteien über den Elternurlaub. Sie ist der Ansicht, dass die Einführung eines gesetzlich geregelten Elternurlaubs eine unabdingbare Voraussetzung für die Verwirklichung einer wirklichen gleichberechtigten Arbeitsteilung in der Partnerschaft ist. Aus diesem Grund gehört gemäss EKF die Debatte über den Elternurlaub ganz oben auf die politische Agenda.
Wie werden betreuende Angehörige unterstützt?
Seit dem 1. Januar 2021 verbessern neue Bestimmungen der Situation von betreuenden Angehörigen:
- Kurzzeitige Arbeitsabwesenheiten:
Im Obligationenrecht wird ein bezahlter Urlaub eingeführt, damit Arbeitnehmende kranke oder verunfallte Familienmitglieder oder Lebenspartnerinnen bzw. Lebenspartner betreuen können. Der Urlaub beträgt höchstens drei Tage pro Fall und nicht mehr als zehn Tage pro Jahr.
- Betreuungsgutschriften der AHV:
Der Anspruch auf Betreuungsgutschriften in der AHV wird ausgeweitet, damit mehr pflegebedürftige Personen selbstständig bei sich zuhause leben können. Mit dem neuen Gesetz erhalten betreuende Angehörige diese Gutschrift auch, wenn die pflegebedürftige Person eine Hilflosenentschädigung leichten Grades bezieht. Auch Lebenspartnerinnen und Lebenspartner haben Anspruch, wenn das Paar seit mindestens fünf Jahren im gleichen Haushalt lebt.
- Anpassung des Anspruchs auf die Hilflosenentschädigung der IV und den Intensivpflegezuschlag:
Überdies werden der Intensivpflegezuschlag und die Hilflosenentschädigung der IV für Kinder dahingehend angepasst, dass der Anspruch während eines Spitalaufenthalts des Kindes nicht mehr aufgehoben wird. Dauert der Spitalaufenthalt länger als einen Monat, werden die Hilfen weiterhin ausbezahlt, sofern die Anwesenheit der Eltern im Spital erforderlich ist.
Seit dem 1. Juli 2021 haben Eltern, die sich um ein schwer erkranktes oder verunfalltes Kind kümmern müssen, Anspruch auf einen bezahlten Urlaub von 14 Wochen. Sie können diesen Urlaub untereinander aufteilen, ihn am Stück oder in Form von Einzeltagen beziehen. Die Betreuungsentschädigung wird über die EO finanziert und in Form von Taggeldern ausbezahlt. Sie beträgt 80 Prozent des Einkommens vor dem Urlaub, höchstens aber 196 Franken pro Tag. Gleichzeitig besteht für die Eltern ein Kündigungsschutz und ihr Ferienanspruch darf nicht gekürzt werden.